Chronik


Die Anfänge

Bereits vor der Gründung des Musikverein Kiebingen als Verein gab es viele ältere Formen der geselligen Ausübung von Musik. Es gab wohl ab 1875 die „Kiebinger Hochzeitsbläser“ und es gab die Schützenkapelle. Dass beide Gruppen sich zu einem einzigen Verein zusammenschließen würden, hatte seine eigene Logik. Die Gründungsversammlung des Musikvereins Kiebingen fand statt am 16. Juli 1922. Die erste Vorstandschaft, die den neu gegründeten Verein durch die von Not und Inflation geprägte Nachkriegszeit zu führen hatte, setzte sich zusammen aus dem 1. Vorsitzenden Thomas Weiß, dem Schriftführer Eugen Heim, dem Kassierer Peter Raidt sowie dem Dirigenten Thomas Bengel und seinem Vizedirigenten Franz Schall. Man beteiligte sich bereits ein Jahr später an einem Wertungsspiel in Ebingen und errang in seiner Kategorie des 1a-Preis. Diese Erfolgsgeschichte setzte sich fort durch all die Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg. Man errang immer einen der höheren Preise in der Stufe, zu der man sich gemeldet hatte. Wie überall, so brachte der Zweite Weltkrieg auch in Kiebingen die Unterbrechung einer anhaltenden musikalischen Aufwärtsentwicklung mit sich. Die gesamten Vereinsaktivitäten ruhten von 1940 bis 1947. Bereits im Jahr 1946 aber nahmen ältere und junge Musiker die Blasmusik wieder auf und gründeten mit Genehmigung der französischen Militärregierung am 19. März 1947 den Kiebinger Musikverein neu. Man wollte das bevorstehende 25-jährige Jubiläum feiern, und so legte der neue Vorstand unter Johannes Raidt als 1. Vorsitzenden, Walter Heim als Schriftführer und Josef Geiger als Kassierer die Grundlage für eine stetige und bis heute anhaltende Entwicklung der Blasmusik am Ort. Am 26. Oktober 1947 gab der Verein sein erstes Konzert als Jubiläumskonzert im Kreuzsaal. War der 1. Dirigent Thomas Bengel 25 Jahre lang in seiner Funktion tätig, so sollte ihn sein Nachfolger Helmut Raidt in seinem zeitlichen Engagement als Dirigent weit übertreffen. Helmut Raidt dirigierte die Kiebinger Blasmusikkapelle 42 gute Jahre lang von 1949 bis 1991 und wurde als Ehrendirigent in seinen inaktiven Ruhestand entlassen. Helmut Raidt errang schon 1950 bei einem internationalen Wertungsspiel in Rottenburg die Note „Sehr gut“ und konnte diese Erfolge zu einer fortlaufenden Serie gestalten.


Von den 1960-ern bis in die 1990-er Jahre

Der Musikverein ist sowohl in der bürgerlichen wie auch in der kirchlichen Gemeinde etabliert und aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken. Mit seiner musikalischen Gestaltung der Feste von Palmsonntag, Christi Himmelfahrt und Fronleichnam leistet der Musikverein bis heute Jahr für Jahr seinen Beitrag zum Leben der Kirchengemeinde und wirkt sehr häufig mit seinen Bläsern und Schlagzeugern mit bei Konzerten der anderen kirchlichen Vereine. Das 40-jährige Jubiläum konnte der Musikverein am 7. Juli 1962 in neuen Uniformen feiern. Ab 1963 ging es mit Helmut Raidt, der von 1959 bis 1961 den Dirigentenstab an Anton Stadel abgegeben hatte, nach Rottenburg zum Wertungsspiel, wo man in der Mittelstufe wieder einen 1. Rang erringen konnte. In diesem Jahr hatte man auch seinen ersten Auftritt in der Radiosendung „Mit Volksmusik ins Land hinaus“. Die verstärkte Jugendarbeit trug 1969 erste Früchte. Beim Bezirksmusikfest in Unterhausen errang die Jugendkapelle einen 1. Preis mit Auszeichnung. Diesen Erfolg teilen sich drei Personen: Pfarrer Karl Rupp, der sich auch musikalisch engagierte, Dirigent Helmut Raidt und Jugendleiter Heribert Weiss. Im Jahr 1967 richtete Kiebingen das Bezirksmusikfest aus, was mit viel Arbeit verbunden war. Im Jahr 1970 konnte sich der Musikverein in seinen neuen, bis heute aktuellen blauen Uniformen präsentieren.
Im Jahr 1971 begann ein neues Kapitel in der Vereinsgeschichte: die mit vielen Reisen verbundenen Auslandskontakte des Musikvereins. Über Kontakte der Vorstandschaft kam 1971 die Begegnung mit der Kapelle von Unterinn in Südtirol zustande, zu der man immer wieder Kontakt aufnahm, so in Jahren 1974, 1977 und 1988. Natürlich gab es auch entsprechende Gegenbesuche voller guter Erinnerungen. Im Jahr 1975 reiste man mit der Narrenzunft Rottenburg zum Karneval nach Vichy in Frankreich, im selben Jahr war man in Tübingens Partnerstadt Aixen-Provence, ebenso wieder 1977 und 1980, 1984 und 1990. Die Kontakte zu den französischen Partnern vermittelte Prof. Dr. Roland Doschka, jeweils ber die deutsch-französische Gesellschaft. Mit der Narrenzunft Rottenburg war man 1985 und 1987 beim Karneval in Nizza. Das Jahr 1977 wird allen in Erinnerung bleiben durch den Besuch der holländischen Spitzenkapelle „Harmonie St. Josef“ aus Kerkrade zum Herbstfest in Kiebingen, der Gegenbesuch in Holland war im Juni 1979. Das Jahr 1988 brachte für Kiebingen die Jumelage mit Lion-sur-Mer, und dem Musikverein den ersten Besuch der Partnerstadt in der Normandie. Zum zehnjährigen Jubiläum dieser Partnerschaft 1998 fuhr man wieder nach Lion-sur-Mer.
Die weiteste Reise, eine richtige Weltreise, unternahm der Musikverein mit seinem Flug nach Argentinien und Brasilien, um dort u.a. auch Rudolf Herrmann in seiner brasilianischen Gemeinde zu besuchen. Dirigent seit Mai 1995 war Reinhold Stopper. Am 23. März 1996 leitete er sein erstes, sehr erfolgreiches Frühjahrskonzert, und im Juni darauf wurde die erste CD aufgenommen. Vom 17. Oktober bis zum 3. November 1996 fand die erlebnisreiche und unvergessene Reise nach Südamerika statt. Leider verstarb Reinhold Stopper im Mai 1997 bei einem tragischen Unfall.
Den Vorsitz in der Vorstandschaft des Musikvereins während all dieser reiselustigen und ereignisreichen Jahre hatte von 1972 bis 1992 Berthold Waibel inne. Ihm ist der enorme musikalische und personelle Aufschwung des Vereins in diesen 20 Jahren mit zu verdanken. Er wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Von 1992 bis 2001 war Hermann Baur der 1. Vorsitzende. In seine Amtszeit fällt der Bau des Küchen- und Lagergebäudes beim Festplatz und der Festplatzbühne, beides Vorraussetzungen für die heutige Form und Ausgestaltung des im Festkalender von Kiebingen fest verankertem Herbstfestes mit Schlachtplatte am zweiten Wochenende im September, das es inzwischen seit über 30 Jahre gibt.


Von 1997 bis heute

Sein 75. Gründungsjubiläum im Jahr 1997 feierte der Musikverein mit einem Jubiläumskonzert am 19. April und mit einer schönen Jubiläumsschrift, die die ganze Vereinsgeschichte in Wort und Bild zur Darstellung bringt. Nach dem völlig überraschenden Tod von Dirigent Reinhold Stopper konnte die verwaiste Dirigentenstelle schon im September 1997 mit Musiklehrer Johannes Wester wieder neu besetzt werden. Er wird dem Musikverein bis zum Frühjahrskonzert 2004 als Dirigent erhalten bleiben und konnte viele Erfolge feiern, u.a. bei einem Wertungsspiel am 19./20. Mai 2001 in Gültstein, wo der Musikverein sich mit 58 Musikerinnen und Musikern beteiligte und die Bestnote „hervorragend“ in der Mittelstufe errang. Leider hat er sein Amt zur Verfügung gestellt, so dass der Musikverein im Jahr der 800-Jahrfeier von Kiebingen 2004 wieder auf Dirigentensuche ist.
Die Generalversammlung vom Frühjahr 2001 bringt eine Satzungsänderung bezüglich der Vorstandschaft mit sich. Die Funktion des 1. und 2. Vorsitzenden werden aufgeteilt in je zwei Inhaber, konkret: Roland Fischer und Rudolf Herrmann teilen sich die Funktion des 1. Vorsitzenden, Robert Leins und Lothar Wittel die des Stellvertreters.
Das 80-jährige Vereinsjubiläum im Jahr 2002 wurde wieder mit einem großen Jubiläumskonzert im Frühjahr begangen, mit einer Fahrt nach Ungarn und mit einem außerordentlichen Herbstfest und zum Abschluss mit einem Kirchenkonzert am 1. Adventssonntag zusammen mit dem Liederkranz-Kirchenchor und dem Pauluschor, das großen Anklang gefunden hat.
So geht der Musikverein im Jahr 2004 mit einer Führungsmannschaft und mit insgesamt 49 aktiven Mitgliedern, dazu 15 Jugendlichen sowie mit neun Ehrenmitgliedern und 162 Fördermitgliedern, unterstützt von einem sehr aktiven Förderverein, in eine gute Zukunft. In Zeiten knapper Kassen und sinkender Zuschüsse bedarf es verstärkter Anstrengungen, um die finanziellen Mittel aufzubringen für Dirigenten, Jugendarbeit und Instrumente. Deshalb sind die Anstrengungen, diese Mittel beim Herbstfest zu erwirtschaften und die Bemühungen des Fördervereins, durch die Vatertag-Hocketse und die regelmäßigen Altpapier-Sammelaktionen ebenfalls für Einnahmen zu sorgen, notwendig und allen Lobes würdig.


Chronik aus dem Buch „800 Jahre Kiebingen“, Stadt Rottenburg, 2004